Kämpfe in der deutschen Industrie sorgen vor wichtigen Wahlen für Unruhe
Die deutsche Industrie steht unter massivem Druck: Volkswagen plant erstmals Werksschließungen, die Automobil- und Stahlsektoren kämpfen mit Stellenabbau, und Gewerkschaften mobilisieren gegen die Krise. Vor den Neuwahlen im Februar 2024 wächst der Unmut der Arbeitnehmer, während politische Lähmung die Umsetzung dringender Maßnahmen blockiert.

Die deutsche Industrie, lange Zeit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, gerät unter wachsendem wirtschaftlichen Druck und politischer Lähmung ins Wanken. Tausende Arbeitsplätze sind von Entlassungen und Werksschließungen bedroht. Während Autohersteller wie Volkswagen (VW) und Stahlproduzenten wie Thyssenkrupp Kürzungen ankündigen, mobilisieren die Gewerkschaften, und die politische Führung sieht sich im Vorfeld der entscheidenden Wahlen im Februar 2024 einer wachsenden Wut der Arbeitnehmer gegenüber.
Volkswagen und der industrielle Niedergang in Deutschland
Zum ersten Mal in seiner 87-jährigen Geschichte hat Volkswagen, ein Symbol für die industrielle Leistungsfähigkeit Deutschlands, Pläne zur Schließung von Werken in Deutschland angekündigt. Sinkende Gewinne, schleppende Verkäufe in Europa und ein Einbruch auf dem kritischen chinesischen Markt haben dazu geführt, dass VW nicht mehr mit dem US-Rivalen Tesla und dem chinesischen Unternehmen BYD konkurrieren kann. Frühe Fehltritte bei der Produktion von Elektrofahrzeugen (EV) haben die Probleme des Unternehmens noch verschärft.
Auch die deutsche Automobilindustrie, die 11 % der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe des Landes stellt, steht unter Druck. Große Zulieferer wie Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental haben einen massiven Stellenabbau angekündigt, der bis 2030 zehntausende Arbeitsplätze in der Branche kosten könnte.
Erschwerend für die Branche kommt hinzu, dass der designierte US-Präsident Donald Trump mit Zöllen auf europäische Importe gedroht hat, was die deutschen Exporte weiter schädigen und die Krise verschärfen könnte.
Stahl und andere Herausforderungen für die Branche
Auch die Stahlindustrie steht unter Druck: Thyssenkrupp hat angekündigt, bis 2030 bis zu 11.000 Arbeitsplätze abzubauen. Zusammen mit den Herausforderungen im Automobilsektor haben diese Verluste Auswirkungen auf die gesamte deutsche Fertigungsindustrie, verschärfen die wirtschaftliche Misere und schüren die Frustration in der Öffentlichkeit.
Die Gewerkschaften und die Wut der Beschäftigten
Die Gewerkschaften reagieren auf die Krise mit verschärften Aktionen. Die IG Metall, Deutschlands größte Gewerkschaft, kündigte vor den Verhandlungen mit dem VW-Management am 9. Dezember Warnstreiks an. Der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Thorsten Gröger, warnte vor einem Scheitern der Gespräche und forderte „konkrete politische Maßnahmen“ zur Bewältigung der sich verschärfenden Krise.
Politische Lähmung und ökonomische Probleme
Die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland kommen zu einem besonders heiklen Zeitpunkt, da die Regierung nach dem Zusammenbruch der Dreierkoalition gelähmt ist. Da Neuwahlen für Februar 2024 angesetzt sind, ist es unwahrscheinlich, dass wichtige Entscheidungen über Subventionen und Industriepolitik vor der Bildung einer neuen Regierung getroffen werden, so dass Arbeitnehmer und Unternehmen in der Schwebe bleiben.
Klassische Maßnahmen wie staatliche Subventionen für den Kauf von Elektrofahrzeugen oder steuerliche Anreize werden diskutiert. Es bleibt jedoch die Frage, ob diese Maßnahmen die tieferen strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft lösen können. Der Krieg Russlands in der Ukraine, die veränderte Dynamik des Welthandels und der zunehmende Protektionismus haben das exportorientierte Modell Deutschlands erschüttert und langfristige Schwachstellen geschaffen.
Steigende politische Risiken
Die Wirtschaftskrise schürt auch die Unzufriedenheit der Wähler, die sich bei den Wahlen im Februar stark bemerkbar machen dürfte. Die Sozialdemokratische Partei (SPD) von Bundeskanzler Olaf Scholz, traditionell ein Verbündeter der Arbeitnehmer, steht vor allem in Niedersachsen, wo VW seinen Hauptsitz hat, unter starkem Druck. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD), die in Umfragen an zweiter Stelle liegt, könnte von der wachsenden Gegenreaktion profitieren.
Robert Habeck, Wirtschaftsminister der Grünen, hat das Ausmaß der Herausforderungen erkannt. „Die normalen Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, könnten nicht ausreichen“, sagte er und betonte die Notwendigkeit transformativer Lösungen.
Ein Moment der Abrechnung
Die Arbeitskämpfe in Deutschland machen deutlich, dass die wirtschaftliche und politische Führung des Landes vor einer großen Abrechnung steht. Während die Gewerkschaften Sofortmaßnahmen fordern und Rechtspopulisten aus der Frustration der Öffentlichkeit Kapital schlagen, stehen die etablierten Parteien vor der gewaltigen Aufgabe, Lösungen zu finden, die sowohl die unmittelbaren Krisen als auch die zugrunde liegenden strukturellen Veränderungen in Welthandel und Industrie berücksichtigen.